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Fordismuskrise und Post-Fordismus

Das ,,Goldene Zeitalter`` der westlichen Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg (siehe Abschnitt 2.3, S. [*]) ist eng mit dem Begriff des Fordismus, der an die Einführung der Fließbandproduktion in der Automobilindustrie durch Henry Ford anknüpft, verbunden. Die Volkswirtschaften der Nationalstaaten als Bezugsrahmen des wirtschaftliches Handelns waren relativ abgeschlossen und auf der Basis der standartisierten Massenproduktion und des Massenkonsums auf Kosten nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen organisiert. Die Einkommen der Arbeitnehmer wurden im Hinblick auf das erklärte Ziel der Vollbeschäftigung als Quelle inländischer Nachfrage, das Kapital, das im Umlauf war, primär als nationales Kapital angesehen. Bretton Woods und GATT trugen dazu bei, daß die Kontrolle des Staates über die inländische Währung nicht durch äußere checks gefährdet werden konnte (JESSOP, 2000, S. 337f.).

Die Regulationstheorie, die zuerst von einer Gruppe französischer Soziologen entwickelt wurde, versucht, die ,,langfristige Transformation kapitalistischer Volkswirtschaften zu analysieren`` (BERNDT, 1999, S. 303). Sie schließt wirtschaftliche, soziale und politische Perspektiven mit ein und befaßt sich ihrem Kern nach mit dem Dualismus aus Akkumulationsregime (regime of accumulation) und Regulationsweise (mode of regulation). Das regime of accumulation wird durch die jeweils vorherrschenden technologischen Paradigmen, durch die daraus resultierende Arbeitsteilung und die Konsummuster sowie die verschiedenen sozialen Einflußgrößen wie Kultur und Einkommensverteilung bestimmt. Die modes of regulation beziehen sich auf die Lohnübereinkünfte, das Finanz- und Wirtschaftssystem, die Rolle des Staates, den internationalen Handel, Forschung und Technologie, Verkehr, Umwelt und Siedlungsstrukturen. Die Akkumulationsregimes lassen sich in vier Phasen einteilen: manufacture, machinofacture, fordism und neo- bzw. post-fordism. Eine fünfte Phase der flexible specialization scheint sich abzuzeichnen (STEINBACH, 1999, S. 40ff.).

Der Fordismus hatte seine Blütezeit in der Boomphase nach dem Zweiten Weltkrieg, die zeitlich mit dem vierten Kondratieff-Zyklus zusammenfiel, dessen Basistechnologien das Fernsehen, die Petrochemie und die Weiterentwicklung bestehender Innovationen wie dem Automobil, dem Flugzeug und von Kunststoffen waren. Während des Zyklus kamen der Computer und der integrierte Schaltkreis hinzu (NEFIODOW, 1990, S. 30f.). Die westlichen Volkswirtschaften waren auf die bestmögliche Ausnutzung der economies of scale aus, Wohlstandsgewinne wurden durch die Einführung des Konsumentenkredits, die entsprechende Erhöhung der Kaufkraft und die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern erzielt. Das fordistische Akkumulationsregime bezog seine Stabilität aus dem gesellschaftlichen Konsens zwischen Unternehmern, den Arbeitnehmervertretungen in Form von Gewerkschaften und einer auf Ausgleich bedachten Sozialpolitik des Staates, der Sicherungssysteme wie Arbeitslosen- und Krankenversicherung, Renten und Fürsorgeleistungen auf- und ausbaute (HEIN, 1995, S. 48f.).

In den siebziger Jahren fand der wirtschaftliche Aufschwung der westlichen Industrieländer ein Ende. Aus regulationstheoretischer Sicht waren dafür verschiedene Faktoren verantwortlich. Die starke Position der Gewerkschaften, die durch Vollbeschäftigung bedingte Verteuerung der Arbeitsleistungen und die vor allem durch die beiden Ölkrisen 1973 und 1979 gestiegenen Rohstoffpreise führten zu Profitrückgängen und somit zu Produktivitätseinbußen der Unternehmen. Die fordistische Arbeitsorganisation in Form von hierarchisch geordneten, aufeinander abgestimmten Arbeitsprozessen (Taylorismus) und Fließbandarbeit erwies sich als nicht mehr ausbaufähig und wurde durch Arbeitsformen mit weniger vertikaler Organisation ersetzt. Es entstanden ,,verlängerte Werkbänke`` in agrarisch strukturierten Regionen und im Sinne der internationalen Arbeitsteilung ausgelagerte Industriebetriebe in der Dritten Welt. Die Budgets der Nationalstaaten wurden zudem durch steigenden Ausgaben infolge der neu aufgetretenen Massenarbeitslosigkeit und inflationären Tendenzen strapaziert (DANIELZYK, OßENBRÜGGE, 1996, S. 102f.). Außerdem zeigten die Märkte für standartisierte Massenprodukte Sättigungserscheinungen, das Konsumverhalten der Menschen wandte sich individuelleren Produkten zu (STEINBACH, 1999, S. 43f.).

Die sich noch immer in der Entwicklung befindende Phase des Neo- oder Postfordismus zeichnet sich generell durch eine größere Flexibilität (flexible specialization) aus. Neue Basistechnologien wie die Mikroelektronik und neue Werkstoffe ermöglichen eine höhere Produktivität durch den Einsatz höherentwickelter Maschinen (multi-purpose statt single-purpose) und verbesserter Kommunikationsmöglichkeiten. Neue Organisationsformen innerhalb der Unternehmen (z. B. Gruppenarbeit, Rotation) und zwischen den Unternehmen wie der Just in Time-Produktion (d. h. Kosteneinsparung durch Optimierung der Zulieferung und Auflösung bestehender Warenlager) oder der co-makership (Auslagerung von Teilen des Produktionsprozesses in eigenständige Unternehmen) brechen die fordistischen vertikalen Strukturen auf und schaffen von der Qualität der Standorte abhängige internationale Unternehmensnetzwerke (HEIN, 1995, S. 56f.; STEINBACH, 1999, S. 44f.). Ermöglicht wird dieser Standortwettbewerb durch die nahezu vollständige Mobilität des Kapitals, die die Staaten gezwungen hat, freies Unternehmertum zu fördern, größere Investitionsanreize zu schaffen und gleichzeitig den Sozialstaat abzubauen und das Steuersystem zugunsten der mobilsten Produktionsfaktoren auszurichten (BOYER, 2000, S. 292).

,,Thus, the Fordist, Keynesian wage-earner state has been transformed into a lean Schumpetrian state, in the sense that it seeks to encourage enterprise, foreign investment and innovation.`` (BOYER, 2000, S. 292f.)


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Thomas Korber 2001-09-06