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Handel, Kapitalverkehr und FDI

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Rahmen des Bretton-Woods-Abkommens neben dem Internationalen Währungsfonds regelmäßige Verhandlungsrunden installiert, die unter dem Namen GATT (General Agreement on Trade and Tariffs) bekannt wurden. Das Ziel war eine schrittweise Handelsliberalisierung durch Senkung der Importzölle und die ,,Einhaltung wichtiger Prinzipien für den Warenaustausch`` (NUHN, 1997, S. 136). Das Beispiel der USA als Industrieland -- die Einfuhrzölle von Entwicklungsländern sind in der Regel höher (SIEBERT, KLODT, 1999, S. 121) -- zeigt, daß das Einfuhrzollniveau in den acht GATT-Verhandlungsrunden bis zum Abschluß der Uruguayrunde drastisch gesenkt wurde (vg. Abb. 5). 1994 wurde in der Uruguay-Runde beschlossen, eine neue Handelsorganisation, die World Trade Organization WTO zu schaffen, die als Institution bei Handelsstreitigkeiten schlichten soll und die Macht hat, für die Mitgliedsländer verbindliche Regelungen auszusprechen und damit einen der größten Kritikpunkte an GATT ausräumt (SMEETS, 2000, S. 21).

Abbildung: Sukzessive Senkung der US-Zölle durch GATT (100=1946)
(Quelle: SIEBERT, KLODT, 1999, S. 121)
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Abbildung 6: Entwicklung der Exporte im Vergleich zur Produktion 1960-1988
(Quelle: DICKEN, 1992, S. 17)
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Wie Abbildung 6 und 7 zeigen, sind in den letzten Jahrzehnten die Exporte stärker gewachsen als die Güterproduktion, was einerseits auf die oben angesprochene Handelsliberalisierungen zurückzuführen ist, andererseits auf das Auftreten neuer Handelspartner auf globaler Ebene. Diese sind in erster Linie Schwellen- und Reformländer, die am globalen Güteraustausch teilnehmen. So konnte z. B. Mexiko seinen Exportanteil von 1970-1995 verdoppeln, die südostasiatischen Tiger ihren Anteil vervielfachen. Bei ihnen fällt auf, daß die Teilnahme am Welthandel nicht gleichzeitig erfolgte. Während Südkorea bereits ab 1970 ein anhaltendes Exportwachstum verzeichnen konnte, traten Hongkong, Singapur und Taiwan erst ab 1980 hinzu, die restlichen südostasiatischen Länder wie Malaysia, Thailand und Indonesien erst ab Mitte der achtziger Jahre (FREYTAG, MEIER, WEISS, 1998, S. 15).

Die beiden Einschnitte sowohl der Export- als auch der Produktionskurve in Abb. 6 für die Jahre 1974/75 und 1982-83 sind durch die Verteuerung der Rohstoffe in den beiden Ölkrisen und durch die Krisensymptome infolge des Zusammenbruchs des Bretton-Woods-Systems zu erklären. Der starke Rückgang des Wachstums nach 1997 (Abb. 7) ist auf die Auswirkungen der Asienkrise zurückzuführen.

Abbildung 7: Export- und BIP-Wachstum der Welt 1990-1999 (Quelle: WTO, 2000, S. 6)
\includegraphics[width=14cm]{growth.eps}

Ein weiterer Faktor, der dazu beiträgt, daß das Wachstum der Weltexporte deutlich höher ist als das Wachstum der Güterproduktion, ist der zunehmende intra-industrielle Handel der transnationalen Unternehmen (siehe Abschnitt 4.3, S. [*]).

Seit den achtziger Jahren ist auf dem Finanzsektor ein regelrechter Globalisierungsboom eingetreten. Dies zeigt sich nicht nur am wachsenden Anteil internationaler Transaktionen, sondern auch an der zunehmenden Verschiedenheit der Teilnehmer am Finanzmarkt. Im Gegensatz zur jährlichen Wachstumsrate des Welthandels, die mit immerhin 5,2% zu Buche schlägt und nahezu 2% höher ist als das Produktionswachstum, beträgt das Wachstum des Kapitalmarktes mehr als 14,9%. Besonders stark angestiegen ist der Handel mit Devisen nach der Freigabe der Währungen und der Liberalisierung der Finanzmärkte, wie Tabelle 3 zeigt. Der Tageshandel mit Dollars hat demnach von 188 Milliarden 1986 auf über 1190 Milliarden 1995 -- das entspricht einer jährlichen Steigerungsrate von 22,8% -- zugenommen (ANNAERT, 2000, S. 37). Dies sind jedoch nur vorsichtige Schätzungen, die Umsatzzahlen sind sehr wahrscheinlich viel höher anzusiedeln.



Tabelle 3: Volumen des Devisenhandels 1986-1995 (Quelle: ANNAERT, 1998, S. 38)
  1986 1989 1992 1995
Global estimated turnover (daily average, in US-$ billion 188 590 820 1190
As a ratio of world exports of goods and services (%) 7,4 15,8 17,4 19,1
As a ratio of total reserves minus gold (all countries) (%) 36,7 75,9 86,0 84,3



Der Wachstumsprozess der Kapitalmärkte ging mit einem Strukturwandel der Kapitaltransaktionen einher. Während in den achtziger Jahren das Kreditgeschäft dominierend war und hohe Zuwachsraten aufweisen konnte, hat Anfang der Neunziger der Wertpapierhandel das Kreditgeschäft volumenmäßig übertroffen. Stark an Bedeutung haben die Portfolioinvestitionen (Pensionsfonds, Versicherungen, Hedge Fonds etc.) und die Bonds gewonnen, die sich im Wesentlichen auf zwei Typen eingrenzen lassen:

-
securities (= Verbriefung): Wertpapiere, die Forderungen übertragbar und damit handelbar machen.

-
futures: Papiere, die der Absicherung gegen zukünftige Preisänderungen dienen. Sie können auch zu Spekulationszwecken eingesetzt werden, um Preisänderungen auszunutzen.

Zusätzlich können sich Marktakteure in verschiedenen Währungen auf verschiedenen Marktsegmenten gleichzeitig bewegen. Das Volumen börsengehandelter Derivate hat sich von 1986 bis 1990 von 586 Milliarden auf 2,3 Billionen US-$ gesteigert, das Volumen der außerbörslich gehandelten Derivate versechsdfachte sich im gleichen Zeitraum auf knapp 3,5 Billionen. Die Wachstumsraten betragen seit Anfang der Neunziger jährlich etwa 50%. (PETSCHOW, HÜBNER, DRÖGER, MEYERHOFF, 1998, S. 70ff.).

Die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen sind in räumlicher Hinsicht keineswegs über alle beteiligten Länder verteilt, sondern konzentrieren sich auf die großen Finanzplätze der Industrieländer und auf einige off-shore-Finanzzentren. 85% des Handels mit Derivaten finden auf den Börsenplätzen in den USA, der EU und Japan statt. Aber auch innerhalb der hochentwickelten Länder gibt es Unterschiede im internationalen Gewicht. An erster Stelle stehen die Börsen von New York, Chicago und London, während die von Hongkong, Singapur, Tokio und Frankfurt erst an zweiter Stelle zu nennen sind. Der weitaus größte Teil der Finanztransaktionen wird von einigen wenigen Banken getätigt, die, von der Öffentlichkeit und staatlichen und suprastaatlichen Aufsichtsbehörden relativ ungestört, ihre Geschäfte tätigen. Zwingende Voraussetzungen für die globale Handlungsfähigkeit der Banken sind die technischen Entwicklungen auf dem Computersektor und die Akkumulation eines entsprechenden Know-Hows, über das nur wenige Banken mit Hauptsitz in Ländern, die fast ausschließlich OECD-Mitglieder sind, verfügen (PETSCHOW, HÜBNER, DRÖGER, MEYERHOFF, 1998, S. 73f.).

Die starke Expansion und Liberalisierung des Kapitalmarktes wird nicht von allen Beobachtern mit Wohlwollen gesehen. So wird befürchtet, daß die hohe Kapitalmobilität insbesondere für die reichen Industrienationen steigende Arbeitslosenzahlen bedeuten könnte. Weiterhin kann die ungezügelte Mobilität vor allem von kurzfristigen Kapitalanlagen zu erheblichen Turbulenzen auf den Währungsmärkten, wie im Falle Japans Anfang der Neunziger zu bubble economies und zu handfesten Krisen führen, die ganze Regionen an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs bringen können, wie das jüngste Beispiel der Asienkrise 1997/98 deutlich gezeigt hat. In deren Gefolge sind Rufe nach einer stärkeren Regulierung, einer verlangsamten Liberalisierung und dem gleichzeitigen Aufbau eines tragfähigen Institutionsapparates laut geworden, um derartige Krisen mildern zu können bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. Unter anderem wird seit längerer Zeit die Einführung der sogenannten Tobin-tax diskutiert, einer Steuer, die in erster Linie auf die kurzfristigen, spekulativen Kapitalbewegungen zielen würde (ANNAERT, 1998, S. 59ff.).

Die Liberalisierung des Handels und Kapitalverkehrs hatte zur Folge, daß die Höhe der Foreign Direct Investments in den letzten zwei Jahrzehnten stark zunahm, da sie eine effektive Möglichkeit darstellen, in ausländische Märkte einzudringen. Allerdings ist das Konzept der FDI nichts Neues: Sie wurden schon Anfang des 20. Jahrhunderts angewandt, wobei das Verhältnis zwischen der Investitionssumme und der Produktion der führenden kapitalistischen Länder höher lag als heute. Dennoch ist die durch die FDI entstehende Internationalisierung komplexer und tiefgehender, da der Vernetzungsgrad der transnationalen Unternehmen, die den größten Teil der FDI tätigen, zugenommen hat. Die OECD definiert FDI als

,,Investment that involves a long-term relationship reflecting a lasting interest of a resident entity in one economy (direct investor) in an entity resident in an economy other than that of the investor. The direct investor's purpose is to exert a significant degree of influence on the management of the enterprise resident in the other economy. Direct investment involves both initial transaction between the two entities and all subsequent transactions between them and among affiliated enterprises, both incorporated and unincorporated.`` (OECD, 1992; aus BELLACK, 1995, S. 84)

FDIs sind also langfristige Investitionen, um auf Unternehmen in den Zielländern eine bedeutendes Maß an Einfluß zu erlangen, also ,,strategisch`` angelegtes Geld. FDIs lassen sich in fünf Kategorien einteilen:

-
FDI zur Ausbeutung von natürlichen Ressourcen
-
FDI zur Effizienzsteigerung (z. B. Senkung der Produktionskosten)
-
FDI zur Bildung von Allianzen, Joint Ventures oder als Aufkauf von Firmen
-
FDI als ,,Eintrittsgeld`` zu neuen Märkten
-
FDI zur Erschließung von Humanressourcen (Know-How etc.) (BELLACK, 1995, S. 84)


Tabelle: Regionale Aufteilung der weltweiten Direktinvestitionen
Anteile ausgewählter Länder bzw. Regionen in v. H., 1975-1995
(Quelle: FREYTAG, MEIER, WEISS, 1998, S. 25)
Land / Region 1975 1987 1995
USA 17,8 54,0 23,5
Japan 0,0 1,1 0,1
EU 67,8 35,5 43,9
Osteuropa -- -- 4,3
Südostasien 5,0 6,4 21,5
Lateinamerika 9,4 3,0 6,9
Summe 100,0 100,0 100,0


Die Wachstumsraten der FDIs erreichten zwischen 1981 und 1993 durchschnittlich 15%, ab 1993 etwa 34% In absoulten Zahlen ausgedrückt flossen zwischen 1981 und 1985 etwa 48 Mrd. US-$ als FDI ins Ausland. Diese Zahl wurde in den folgenden fünf Jahren mit 168 Mrd. nahezu vervierfacht. Anfang der Neunziger gingen die FDI-Abflüsse rezessionsbedingt etwas zurück, um ab 1994 stetig anzusteigen. (PETSCHOW, HÜBNER, DRÖGER, MEYERHOFF, 1998, S. 50). Die FDIs sind, was sowohl den Out- als auch den Inflow betrifft, regional konzentriert. Für zwei Drittel der FDI-Abflüsse sind Frankreich, Deutschland, Japan, das Vereinigte Königreich und die USA verantwortlich (SMEETS, 2000, S. 11). Wie sich die zufließenden Direktinvestitionen nach Empfängerländern bzw. Regionen in den Jahren 1975-1995 aufteilten, zeigt Tabelle 4. Auffallend ist, daß Japan im Gegensatz zur EU und den USA, deren Anteil zwar in den letzten zwanzig Jahren gesunken ist, die aber immer noch zwei Drittel der gesamten FDI-Zuflüsse verzeichnen können, nahezu keinen Zufluß von Direktinvestitionen erhält. Weiterhin hatte Südostasien im Jahre 1995 dreimal so viele Zuflüsse wie noch 1987, ein deutlicher Ausdruck der stark gestiegenen Weltmarktintegration der asiatischen Tiger- und Drachenstaaten. Lateinamerika und Osteuropa spielen nur eine untergeordnete Rolle, während Afrika und Westasien als Zielregionen faktisch keine Bedeutung haben.


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Thomas Korber 2001-09-06